Schweizer und Aargauer Biobranche
In der Schweiz sank die Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe zwischen 2000 und 2015 um mehr als 26 Prozent. Während die Anzahl konventioneller Betriebe um 30 Prozent sank, nahm der Anteil biologischer Betriebe um 29 Prozent zu, so dass sich 2016 die Anzahl Biobetriebe auf rund 6‘000 belief. Der Schweizer Durchschnitt liegt bei 12 Prozent Biobetrieben. Im Kanton Aargau ist deren Anteil mit rund 7 Prozent deutlich tiefer. Jedoch ist auch im Aargau die Anzahl biologischer Betriebe zwischen 2000 und 2016 von 183 auf 241 gestiegen, was einem Wachstum von 32 Prozent entspricht. Während dieser Periode sank die Anzahl konventioneller Betriebe um 24 Prozent. Im Kanton Aargau erklärt sich der Verlust von landwirtschaftlicher Gesamtnutzfläche seit 2000 ausschliesslich vom Rückgang konventioneller Nutzfläche. Die biologisch bewirtschaftete Fläche ist in diesem Zeitraum deutlich gestiegen.
Vielfalt der landwirtschaftlichen Produktion im Aargau
Insgesamt wird auf 48 Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe im Kanton Aargau Tierproduktion praktiziert, wobei Weidevieh am wichtigsten ist und 90 Prozent der Tierproduktionsbetriebe ausmacht, respektive 43 Prozent aller Betriebe. Betriebe, die sowohl Pflanzenbau und Tierproduktion betreiben, machen 30 Prozent aller Betriebe im Aargau aus, wobei „Tiere gemischt“ und „Pflanzenbau und Tiere gemischt“ die wichtigsten Bereiche sind. Ackerbau wird auf 13 Prozent der Betriebe angewandt. Die Struktur der Betriebstypen zeigt wie vielfältig die landwirtschaftliche Produktion im Kanton Aargau ist. Vergleichbare Strukturen sind in den Kantonen Zürich und Thurgau zu finden, beides sind direkte Nachbarn des Kantons Aargau.
Wiesen machen mit ungefähr 68 Prozent den höchsten Anteil von landwirtschaftlicher Fläche im Biolandbau aus, gefolgt von Flächen für Ackerbau (17 %), Gemüse (6,7 %), Mais (3,5 %) und Dauerkulturen (2 %). Vergleicht man die Zuteilung von landwirtschaftlicher Nutzfläche zu verschiedenen landwirtschaftlichen Tätigkeiten zwischen biologischer und konventioneller Produktion, zeigt sich, dass die Bioproduktion einen höheren Anteil an Wiesen, Gemüse und Körnerleguminosen hat, und dafür einen tieferen Anteil an Ackerfrüchten, Kartoffeln, Rüben, Mais und Ölsaaten aufweist.
Biolebensmittelmarkt
In der Schweiz nahm der Gesamtumsatz für Biolebensmittel zwischen 2012 und 2016 um 673 Millionen CHF zu und stieg von 1‘832 auf 2‘505 Millionen CHF. Die beiden grossen Schweizer Detailhandelsketten, Coop und Migros, verfügten 2016 über einen Anteil von 44,6 Prozent, bzw. 32,3 Prozent am Biolebensmittelmarkt. Der Marktanteil von Bioläden betrug 10,9 Prozent. Die Marktanteile zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern haben sich im Laufe der Zeit kaum verändert.
Insgesamt machten Bioprodukte 2016 8,4 Prozent des gesamten Schweizer Lebensmittelmarkts aus. Bei Frischeprodukten hat Bio einen Anteil von 10,8 Prozent, bei Convenience-Produkten sind es 6,0 Prozent. Die Nachfrage nach Convenience-Produkten ist in den letzten Jahren stärker gestiegen als nach Frischprodukten.
Export von Bioprodukten
Manche Schweizer Bioprodukte mit Knospe-Zertifizierung von Bio Suisse werden in Nachbarländer exportiert. Ein Bedarf besteht vor allem für Milch und Milchprodukte. Frische Bioprodukte werden kaum exportiert; nur in Grenzregionen wird eine begrenzte Menge geliefert. Bio Suisse unterstützt die Förderung von Knospe-Produkten mit ausländischen Handelspartnerinnen. Dies wird zusammen mit den Lizenznehmern entwickelt und umgesetzt. Im Moment konzentrieren sich diese Tätigkeiten auf Milchprodukte. Jedoch möchte Bio Suisse diese Tätigkeiten erweitern und interessierte Lizenznehmerinnen dazu einladen, sich mit Bio Suisse in Kontakt zu setzen. Die meisten Aargauer KMUs aus dem Agrar- und Lebensmittelsektor exportieren keine lokalen Bioprodukte in Nachbarländer aufgrund zu hoher Preise.
Import von Bioprodukten
Natürliche Faktoren limitieren die Möglichkeiten für Schweizer Produktion und schränken das inländische Angebot ein. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Bioprodukten fliessen immer mehr Importe in die Schweiz, wobei der Importanteil je nach Produktgruppe variiert. Bio Suisse stellt hohe Anforderungen an importierte Güter, wodurch sich die Knospe-Importprodukte grundlegend von Produkten, die mit dem EU Biolabel zertifiziert sind, unterscheiden:
- Der gesamte Betrieb muss biologisch geführt sein.
- Produkte, die mit Schweizer Bioprodukten mithalten könnten, werden abgelehnt, wenn es eine ausreichende Inlandversorgung gibt.
- Lufttransport ist verboten.
- Produkte, die vollständig im Ausland verarbeitet wurden, sind ausgeschlossen.
Trotz Einschränkungen sind die Importe von biologisch produzierten Lebensmitteln und Getränken in die Schweiz aufgrund des starken Nachfrageschubs und der nicht ausreichenden inländischen Produktion stetig weiter angestiegen. Zu beobachten ist jedoch, dass der Anteil der Knospe-zertifizierten Produkte an den Importen gesunken und der Anteil an Importen, die mit dem EU Biolabel zertifiziert sind gestiegen ist.
Es wird erwartet, dass sich der Trend zu steigenden Importen in den nächsten Jahren halten wird. Die erhöhte Nachfrage nach Biofleisch und -eiern hat zeitweise auch die Nachfrage nach Futtergetreide aus dem Ausland gesteigert. Mittlerweilen ist das inländische Angebot an Futtergetreide dank zusätzlich gewonnenen Betrieben und Ackerflächen deutlich gestiegen und Schätzungen von Bio Suisse zufolge betrug der Inlandanteil an Futtergetreide 2017 bereits 77 Prozent.
Forschung und Entwicklung im Biolebensmittelsektor
Die Wichtigkeit des Agrar- und Lebensmittelsektors in der Schweiz und im Kanton Aargau ist im Hinblick auf seinen wirtschaftlichen Beitrag sehr tief. Auch wenn 44 Prozent des Kantons aus Landwirtschaftsfläche besteht, gehören nur 8 Prozent der Aargauer Unternehmen zum primären Sektor und 2 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ist im primären Sektor angestellt. Gemäss der Aargau Services Standortförderung wird der Aargau als High-Tech-Kanton beworben, dies aufgrund der zahlreichen High-Tech-Industrien, die sich bereits im Kanton befinden, wie Medizintechnik, Metall und Kunststoff, Energie, IKT, Life Science (Pharma- und Chemieindustrie). Forschung und Entwicklung ist ebenso von Bedeutung im Aargau: Im Vergleich zum Schweizer Durchschnitt arbeiten hier doppelt so viele Angestellte im Bereich Forschung und Entwicklung. Dies hängt damit zusammen, dass sich zahlreiche Forschungsinstitute im Aargau befinden, wie das Paul Scherrer Institut, Forschungszentren vieler internationaler Unternehmen, die Fachhochschule Nordwestschweiz mit Fokus auf Ingenieurwesen, das Hightech Zentrum Aargau, der Technopark Aargau, das FiBL und andere. Abgesehen von der Forschung, die im FiBL geführt wird, ist daher die Forschung im Bereich der Land- und Lebensmittelwirtschaft hauptsächlich auf technische Innovation und hochtechnische Industrien ausgelegt. KMUs, die sich mit der Verarbeitung von Biolebensmitteln beschäftigen gehörten bisher nicht zur Zielgruppe der Standortförderung.
Entwicklungspotenzial der Aargauer Biobranche
In Zusammenarbeit mit Marktteilnehmern, politischen und anderen Interessengruppen wurde eine SWOT-Analyse (Stärken-, Schwächen-, Chancen- und Gefahren-Analyse) für die Aargauer Biobranche erstellt. Die SWOT-Analyse ist ein Instrument der strategischen Planung.
Letztere spielt eine zentrale Rolle in der Bestandsaufnahme der Branche. Die enge Zusammenarbeit mit Marktakteuren ist deshalb von grosser Wichtigkeit. Ihr Votum wurde im Rahmen von Interviews, schriftlichen Befragungen und einem Workshop im März 2017 erfasst. Basierend darauf wurden SWOT-Analysen für vier verschiedene Bereiche der Biowertschöpfungskette erstellt:
- Landwirtschaftliche Produktion
- Verarbeitung
- Biofachhandel
- Gastronomie
Die Analyse hat ergeben, dass die steigende Nachfrage nach Bioprodukten eine wichtige Chance für die Branche darstellt. Als weitere Chance wird der Aufbau einer gemeinsamen Vermarktungsplattform gesehen, welche es ermöglichen soll, das grosse Konsumenteneinzugsgebiet des Kantons zu erreichen. Hierzu zählen auch die zahlreichen Betriebe der Gemeinschaftsgastronomie, die als wichtige potentielle Käufer von regionalen Bioprodukten angesehen werden. Auf der anderen Seite besteht die Herausforderung, dass dem Stichwort „regional“ teilweise ein wichtigerer Vermarktungswert zukommt als der Bezeichnung „biologisch“. Das heisst, dass Konsumenten Produkte aus der Region eher bevorzugen, statt allein nach dem Kriterium „Bio“ einzukaufen. Dem wollen Bioproduzenten und Vermarkter gegenübertreten, indem sie sich mit der Bezeichnung „Regional und Bio“ bzw. „regionales Bio“ profilieren.
Die Schwächen der Aargauer Biobranche sind oftmals mit der kleinen Betriebsgrösse verknüpft: kleinere Betriebe haben oftmals höhere Produktionskosten, einen höheren Zeitaufwand oder kämpfen mit der Schwierigkeit, Nachwuchs zu finden. Eine wichtige Stärke hingegen ist, dass sich die Aargauer Biobetriebe durch hohe Innovationskraft, qualitativ hochstehende Produkte und eine starke Identifikation mit der Biophilosophie auszeichnen.